Ambiente | Pestizidprozess

Unmoralisches Angebot

Die Einigung zwischen den Pestizidgegnern und Arnold Schuler und der Obstwirtschaft ist geplatzt. Der Grund: Man wollte, dass die Daten der Spritzhefte geheim bleiben.
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Vor zwei Wochen schient noch alles in Ordnung. Landesrat Arnold Schuler kündigte an, dass er und die Südtiroler Obstwirtschaft die Klagen gegen das Münchner Umweltinstitut, dessen Referenten Karl Bär und gegen Buchautor Alexander Schiebel, sowie dessen Verlag zurückziehen werden.
Vorausgegangen waren lange und zähe Verhandlungen zwischen den Parteien. Am Ende schien man eine Einigung gefunden zu haben, mit der beide Seiten ihr Gesicht wahren konnten. Beim Prozessauftakt am Bozner Landesgericht flackerte die Polemik dann wieder auf. Weil die Vollmachten der 1.400 Kläger nicht auf die Schnelle eingeholt werden konnten, wurde die Klage nicht zurückgezogen, sondern der Prozess vorerst nur auf den 27. November vertagt. Offiziell ausschließlich aus formalen Gründen.
Inzwischen ist aber alles anders. Arnold Schuler & Co haben jetzt den Rückzug vom Rückzug angekündigt. Nach Informationen von Salto.bz hat ihr Anwalt Michael Grüner inzwischen den Beklagten schriftlich mitgeteilt, dass der Prozess weitergehen wird.
 

Was ist passiert? Klar ist, dass es in den Verhandlungen zu einem erneuten Bruch zwischen den Parteien gekommen sein muss. „Vergleichsverhandlungen sind vertraulich, deshalb no comment“, blockt Nicola Canestrini, der Anwalt der Beklagten gegenüber Salto.bz umgehend ab. Arnold Schuler führt vor allem das Verhalten von Alexander Schiebel als Grund für den Meinungsumschwung an. „Nach allem, was sich in den sozialen Medien abspielt, haben wir nicht den Eindruck, dass die Gegenseite unser Friedensangebot ernst nimmt. Ich jedenfalls sehe schwarz für die Verhandlungen“, sagt der Landwirtschaftslandesat am Mittwoch zu den Dolomiten.
Was man aber verschweigt, ist der wahre Grund für das plötzliche Platzen des angestrebten Vergleichs.
 

Damoklesschwert Betriebshefte

 
Wie Salto.bz exklusiv berichtete, hat die Verteidigung der Angeklagten in der Ermittlungsphase einen interessanten Schachzug gemacht.  Die beiden Anwälte Nicola Canestrini und Francesca Cancellaro wollten zur Verteidigung die Betriebshefte von zwei der klagenden Bauern einsehen. Jeder Landwirt muss laut Gesetz ein digitales Betriebsheft führen, in dem er genau dokumentiert, wann und wo er welches Pestizid einsetzt. Doch die Bauern und Kläger weigerten sich das Betriebsheft auszuhändigen. Die Argumentation: Es handle sich um interne Daten, die die Beklagten nichts angehen.
Die Staatsanwaltschaft sieht das aber anders. Staatsanwältin Federica Iovene gab dem Antrag der beiden Verteidiger statt und ließ im Februar die Betriebshefte der rund 1.400 klagenden Bauern beschlagnahmen und zu den Akten legen.
 
 
Damit verfügen die Pestizid-Gegner jetzt erstmals über authentisches Datenmaterial zum Spritzmittel-Einsatz in Südtirol, das sie direkt ins Herz der Südtiroler Obstwirtschaft schauen lässt. „Auch wenn der Prozess eingestellt werden sollte, können wir auf diese konkreten Daten zurückgreifen, was europaweit so noch nie zuvor möglich war“, sagte Karl Bär zum Prozessauftakt.
Genau das will die Südtiroler Obstwirtschaft aber unbedingt verhindern. Nach Informationen von Salto.bz haben die Anwälte Schulers und der VOG- und VIP-Spitze eingefordert, dass sich die Beklagten verpflichten, die Daten der Betriebshefte nicht zu verwenden oder öffentlich zu machen. Dieser Passus sollte Teil der Einigung sein, die zum Rückzug der Klage führt.
Karl Bär und Alexander Schiebel wollten auf dieses unmoralische Angebot aber nicht eingehen.
Das ist der eigentliche Grund, warum am Ende der Rückzug der Klage geplatzt ist.