„Der Tourismus hat Wohlstand gebracht“

SALTO: Bei einer Umfrage im Rahmen des Gemeindeentwicklungsplans in St. Ulrich haben knapp 70 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich weniger Tourismus wünschen. Wie steht der HGV zu solchen Tendenzen?
Manfred Pinzger: Bei dieser Umfrage handelt es sich zunächst um eine geografisch abgegrenzte Erhebung. Uns liegt hingegen eine große Studie vor, die das Land betrifft. Die Studie „Lebensraumqualität Südtirol“ von Professor Bausch, welche auf verschiedene Bereiche eingeht, gibt ein anderes Bild von Gröden wieder.
Glauben Sie, dass die Südtiroler Bevölkerung nur in den Hochburgen tourismusmüde geworden ist, oder sind auch auch weniger erschlossene Gebiete betroffen?
Prinzipiell arbeiten wir schon länger darauf hin, die Tourismusgesinnung insgesamt zu stärken. Südtirol ist ein beliebtes und bekanntes Reiseziel. Die Gründe für die Abnahme der Tourismusgesinnung sind vielfältig. Wir weisen schon lange auf die Herausforderungen hin. In St. Ulrich zum Beispiel ist der Verkehr das große Problem, daher kommt vermutlich auch die kritische Einstellung. Aber auch Thematiken wie die Wohnpreise der touristisch hochentwickelten Gebiete zählen zu den Problemen. Man darf hierfür jedoch nicht nur den Tourismus verantwortlich machen. Was man hingegen sehr wohl sagen muss, ist, dass zu bestimmten Zeiten in bestimmten Gebieten die Grenzen erreicht sind.
„Wir weisen schon lange auf die Herausforderungen hin.“
Was muss sich in den betroffenen Gebieten ändern, um der Tourismusverdrossenheit der Einheimischen entgegenzuwirken?
Nun, letztes Jahr wurde ja das „Landestourismuskonzept“ von Landesrat Arnold Schuler verabschiedet. Somit greift nun die Bettenobergrenze, sprich quantitative Hotelerweiterungen sind nicht mehr möglich. Außerdem gibt es ja auch die betriebliche Obergrenze von 150 Betten. Ich betone immer wieder, dass Tourismus nur im Einvernehmen mit der Bevölkerung positiv gestaltbar ist. In diesem Zusammenhang werden auf jeden Fall entsprechende Rahmenbedingungen benötigt. Der Tourismus sollte aber nicht immer der einzige Sektor sein, der herhalten muss.
Viele Gebiete Südtirols sind touristisch stark, fast zu stark erschlossen. Andere hingegen kaum. Gibt es eine Möglichkeit die Gäste besser zu verteilen?
Ja, ich denke schon. Wir waren ja der Meinung, dass man in etwas strukturschwächeren Gebieten noch das eine oder andere an Investitionen oder Betrieben zulassen sollte. Es gibt viele Seitentäler, im Vinschgau zum Beispiel, wo jede Gemeindeverwaltung froh wäre, wenn mehr passieren würde. Der gesamte Vinschgau verzeichnet lediglich zwei Millionen Nächtigungen. Man kann hier also nicht von einem negativen Einfluss des Tourismus sprechen. Trotzdem wurde das ganze Land über einen Kamm geschoren. In den peripheren Orten ist der Fremdenverkehr oft der Grund, weshalb es überhaupt noch ein Gasthaus gibt oder in den Dörfern etwas los ist.
„Das ganze Land wurde über einen Kamm geschoren.“
Gibt es konkrete Ansätze wie man Orte wie Gröden oder Corvara entlasten und gleichzeitig weniger touristisch erschlossene Gebiete fördern kann?
Zunächst wäre es von Vorteil, den peripheren Gebieten noch Möglichkeiten zur Entwicklung zu bieten. Dies bringt auch weitere Vorteile wie die Schaffung von Arbeitsplätzen mit sich. Anschließend müssen Orte wie St. Ulrich natürlich auch ihre Hausaufgaben machen. Ich denke aber schon, dass die Bevölkerung von Gröden, Alta Badia oder dem gesamten Dolomitenraum erkennt, dass der Tourismus in den vergangen 50 Jahren Wohlstand gebracht hat. Andererseits ist es eventuell versäumt worden, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen.
Ganz Südtirol leidet unter…
Ganz Südtirol leidet unter den überhöhten Lebenshaltungskosten + den überteuerten Immobilien + den verstopften kaum ausbaubaren Straßen, für einen Witschaftszweig der gerade 12 % der Wirtschaftsleistung erbringt.
In risposta a Ganz Südtirol leidet unter… di Josef Fulterer
Auf den Punkt gebracht! Die…
Auf den Punkt gebracht! Die ehrliche Frage wäre "wem hat der Tourismus den Wohlstand gebracht". Mich würde eine sachliche, neutrale Aufstellung interessieren, in welcher klar dargestellt wird, was ein "normaler" Bürger, nicht im Tourismus tätig, an Wohlstand durch Tourismus erlangt hat.
Dass der Tourismus unserem…
Dass der Tourismus unserem Land Wohlstand gebracht hat, bezweifelt kein normal denkender Südtiroler. „Den Tourismus“ der nach dem Motto immer schneller, höher, weiter agiert gibt es im Übrigen in der Form genauso wenig wie „die Bauern“ oder die „Arbeitnehmer“. Generalisierung ist als auch fehl am Platz. ABER… Herr Pinzger kann nicht ernsthaft bezweifeln, dass vor allem der Turbotourismus der letzten Jahre, bei dem Wellnesstempel wie Pilze aus dem Boden schießen und geschossen sind, ein gerüttelt Maß zu vielen Problemen in Südtirol mit beigetragen hat. Absurd hohe Lebenshaltungskosten, Wohnungspreise die außer Rand und Band sind, Ressourcenknappheit, regelmäßiger Kolaps auf den Hauptverkehrswegen usw. Diese Probleme offen anzusprechen bedeutet nicht den Tourismus anzugreifen, sondern einzig, dass man mit offenen Augen durch unser Land geht. Liegt dem HGV etwas daran die grundsätzlich immer noch positive Stimmung der Gesamtbevölkerung gegenüber der Tourismusbranche beizubehalten, dann sollten die Verantwortlichen schleunigst damit aufhören jede seriöse Kritik abzubügeln und anfangen sich selbst kritisch zu hinterfragen.
"Der gesamte Vinschgau…
"Der gesamte Vinschgau verzeichnet lediglich zwei Millionen Nächtigungen. Man kann hier also nicht von einem negativen Einfluss des Tourismus sprechen. "
Das bleibt hoffentlich auch so, diesen Overtourismus an jeder Destination ist schrecklich und wir fühlen uns Sommer wie Winter als Familie im Vinschgau total wohl zu weiterhin erschwinglichen Preisen. Ob zu Fuss zur Schönen Aussicht oder Similaun oder mit dem Mtb über die Schwarze Lacke und Naturnser Alm, Vinschger Radweg mit Abstechern nach Martell/Sulden etc. oder am Watles und Haider Alm per Ski.
Auf der Wiese am Schmiedlhof im Frühjahr/Herbst mit Panoramablick Dolomiten ohne die ganzen Touriaffen ist unschlagbar.
Die Hotspots sind nur noch außerhalb der Saison empfehlenswert wie z.B. Sella Stock/Dolomiten Mitte/Ende Januar und nur bei den mittlerweile rar gewordenen Familienpensionen.
In risposta a "Der gesamte Vinschgau… di Stefan S
Sehe ich genauso, nur weil…
Sehe ich genauso, nur weil einige wenige Teile des Landes touristisch nicht am Anschlag laufen, müssen wir hier nicht auch noch maximieren, maximieren, maximieren. Ich denke Südtirol ist in seiner Gesamtheit touristisch mehr als nur ausreichend ausgelastet. Und ich bin bei Leibe kein Tourismusgegner, aber bei fast allem ist irgendwann eine natürliche Grenze erreicht.
Man kann Herrn Pinzger nicht…
Man kann Herrn Pinzger nicht helfen, er folgt strengen Routinen, leider.
Hat Wohlstand gebracht auf…
Hat Wohlstand gebracht auf der einen Seite und auf der anderen Seite vieles unbezahlbar gemacht. Den Tourismus an sich kann man gutheißen, die Exzesse nicht, seit Jahren wird der Exzess geradezu zelebriert. Damit ist der Tourismus zum größte Schaden des Landes geworden.
...."Abnahme der…
...."Abnahme der Tourismusgesinnung" wird im Artikel das Gefühl der Bevölkerung umschrieben. Treffender wäre wohl eine "Zunahme des Gefühls des Overturism" !
Der Tourismus darf die…
Der Tourismus darf die Lebensqualität der ansässigen Bevölkerung nicht überstrapazieren. Ist aber nur der Tourismus am Preisniveau Schuld? Das wäre ein Thema für einen Journalisten, der sein Handwerk versteht.