Interview
Der Fall von Aurel, einer Südtiroler Transperson, welche die Anerkennung seiner Identität fordert, hat in Italien hohe Wellen geschlagen und die Frage des dritten Geschlechts bis vor den Verfassungsgerichtshof gebracht. Wie geht es für ihn jetzt weiter?

SALTO: Aurel, könnten Sie einen kurzen Rückblick auf Ihren Gerichtsprozess zur Anerkennung Ihrer Identität im italienischen Staat geben? Wie ging es Ihnen dabei?

Aurel (fiktiver Name): Ich habe im Juni 2022 den Prozess zur Namens- und Personenstandsänderung begonnen und den Antrag für operative Eingriffe eingereicht. In Italien braucht man, im Unterschied zu einigen anderen Ländern, dafür ein gerichtliches Urteil. Mein Wunsch war es, als Geschlechtsmarker ‚Divers‘ oder ein ‚X‘ eingetragen zu bekommen, was zurzeit bürokratisch und rechtlich nicht vorgesehen ist. Die Fragestellung wurde deshalb nach Rom zum Verfassungsgerichtshof weitergeleitet. Ich persönlich habe nicht so viel vom gerichtlichen Geschehen mitbekommen, weil das hauptsächlich mein Anwalt für mich übernommen hat. Ich bekomme immer wieder Updates. Aber dadurch, dass ich in meiner Transition prinzipiell schon ziemlich weit bin, hat sich der Prozess selbst seit Februar eher im Hinterkopf gehalten. Daher kann ich auch in rechtlicher Hinsicht nicht so viel sagen, da das alles mein Anwalt übernommen hat – was auch sehr angenehm ist. Generell glaube ich, wenn man als normale Person die Beschlüsse bekommt, es sehr schwierig ist, diese zu verstehen, weil es sich um hochkomplexe Sachen handelt.

 

Das beeinflusst auch mich, da ich auf die Schnellspur komme.“

 

Wie beeinflusst Sie persönlich der Beschluss des italienischen Verfassungsgerichtshofes?

Der Verfassungsgerichtshof hat zwar nicht das dritte Geschlecht rechtlich anerkannt, indem beispielsweise Geschlechtsmarker X oder divers offiziell geführt werden, aber das Anliegen wurde an das Parlament weitergeleitet, damit nicht-binäre Personen in Italien auch rechtlich repräsentiert werden können. In einem weiteren Punkt, der für Transpersonen vielleicht aktuell bedeutsamer ist, geht es darum, dass man nicht mehr das richterliche „Okay" braucht, um chirurgische Eingriffe machen zu dürfen. Zuvor hat man beispielsweise für eine Mastektomie einen eigenen richterlichen Beschluss gebraucht. Das beeinflusst auch mich, da ich auf die Schnellspur komme. Ich muss jetzt nicht mehr warten, bis mein Gerichtsprozess abgeschlossen ist, damit ich die Mastektomie machen darf. Das ist sehr erleichternd, weil ich prinzipiell jetzt schon seit mehr als zwei Jahren darauf warte.

Haben Sie sich erwartet, dass Ihre Klage in Italien Fragen aufwerfen würde und so viel bewegen kann?

Nein, definitiv nicht. Ich bin nie mit der Absicht hingegangen, etwas zu verändern. Da war vor allem mein Anwalt sehr aktiv und hatte die Idee, das auf eine höhere Ebene zu verlegen. Deswegen auch ein großer Dank an ihn, dass er die Lücken gesehen hat.

 

„Das ist teilweise schon etwas einschüchternd.

 

Wie war es für Sie, als der Fall „groß“ geworden ist?

Auf der einen Seite schon aufregend und wichtig. Es wäre schön gewesen, wenn das beispielsweise vor fünf Jahren jemand für mich getan hätte. Dann wäre für mich alles ein bisschen schneller gegangen. Deswegen sehe ich definitiv einen Wert darin, dass zumindest etwas weitergegangen ist. Andererseits ist es auch so, dass Menschen über den Fall online und offline ihre Meinung dazugeben, ohne mich als Privatperson zu kennen. Das ist teilweise schon etwas einschüchternd. Manche Kommentare treffen mich manchmal, weil klar wird, dass Menschen in einer eigenen Welt leben und alles, was sie nicht  kennen oder selbst erlebt haben, nicht als möglich ansehen. 

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Salto User
Josef Fulterer Mo., 29.07.2024 - 06:15

Mit dem Beginn der Pubertät setzt bei den Menschen ein gewaltiger Leidensdruck ein, die bei der Geburt mit dem falschen Geschlecht + folglich mit nicht passendem Namen in das Geburtsregister eingetragen wurden oder sich nicht eindeutig dem weiblichen / männlichen Geschlecht zugehörig fühlen.
In einem Gender-ablehnenden Umfeld enden solche Fälle, leider zu oft mit einem fatalen Sebstmord .

Mo., 29.07.2024 - 06:15 Permalink
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Profil für Benutzer gorgias
gorgias Mo., 29.07.2024 - 14:13

Antwort auf von Josef Fulterer

Warum gab es früher keine Abschiedsbriefe von Menschen die im falschen Körper lebten und Selbtmord begingen?

Die Annahme einer Geschlechterrolle ist zum großen Teil eine Frage der Sozialisation. Es wird wohl wenige Fälle geben von Menschen, die sich mit dem eigenen Körper nicht abfinden können, doch wie Lisa Eckhart sagte, "Sie ist im richtigen Körper gefangen" so wie die meisten. Die Problematik den eigenen Körper anzunehmen ist ein Thema der Pubertät allgemein. Gender-Ideologie nimmt die Orientierung und führt junge Menschen auf die falsche Bahn, wo sie erst später drauf kommen was sie getan haben nicht das richtige war aber nun für den Rest ihres Lebens mit den Konsequenzen leben müssen.
Denn die meisten jungen Männer, die mit dem Gedanken einer Geschlechtsangleichung spielen, stellen sich als homosexuell herraus.
Und bei Mädchen die mit dem Gedanken zu so einem Spielen, stellt sich heraus, dass diese sich in statistisch relevanten Maße auch in Cluster vorfinden, und somit sich darsaus schliessen lässt dass Gruppendynamiken einen Einfluss spielen und die Verbreitung dieser Ideen.

Mo., 29.07.2024 - 14:13 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Mo., 29.07.2024 - 15:41

Antwort auf von gorgias

Wahrscheinlich haben geistliche Menschen, die sich mit solchen Fragen beschäftigt haben, geraten, einen geistlichen Beruf zu ergreifen oder in ein Kloster zu gehen. Viele haben solche Fragen nicht einmal bei sich selbst zugelassen und alles verdrängt. Vielleich haben solche Frauen auch geheiratet. Als "halber Mann" waren sie für die Arbeit sicher auch gut genug.
Außerdem gab es in Gettos in Großstädten viele Transvestiten, - z. B. auch in Indien, wo sie eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft erhielten. Sich als Frau zu verkeiden, eine Frauenrolle einzunehmen, war schon ein halber Schritt zum sich als Frau zu fühlen. Die Frage ist, ob ihnen diese Rollen Zufriedenheit oder sogar Glück gebracht hat?
"Denn die meisten jungen Männer, die mit dem Gedanken einer Geschlechtsangleichung spielen, stellen sich als homosexuell herraus." Da kann etwas dran sein; man muss aber unterscheiden: Nur ein kleiner Teil der Schwulen haben feminine Züge und spielen mit dem Gedanken, ihr Geschlecht angleichen zu wollen. Der große Teil der schwulen Männer fühlen und identifizieren sich als Mann, haben aber eine andere (z. Teil auch die gleiche) sexuelle Neigung. Mit z.T. meine ich, dass viele, die sich als heterosexuelle Männer definieren, sexuelle Erlebnisse mit Männern, Personen des gleichen Geschlechts, suchen und haben; in der Fachsprache werden sie als Bisexuelle bezeichnet. Und von denen, die auf zwei Hochzeiten tanzen, gibt es viele.
Ein Bekannter von mir, der als junger Schwuler auch ein eher feminines Gehabe an den Tag legte, hat zu mir mehre Jahre später, als wir von Geschlechtsanpassung sprachen, gesagt: die müssen sich erst als Schwuler annehmen und identifizieren, dann vergehen dir diese Gedanken.
Man sollte dieses Thema nicht zusehr ideologisieren und verpolitisieren! Man muss mehr mit Empatie mit den Betroffenen gesellschaftliche Lösungen finden. Und auch ich habe Problemen mir vorzustellen, dass derzeit in einigen Ländern schon an Kindern oder Jugendlichen in der Pubertät und Ich-Werdungs-Fase, bereits auch durch kirurgische Schritte, Geschlechtsanpassungen vorgenommen werden.

Mo., 29.07.2024 - 15:41 Permalink