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Woran kann es liegen, dass auch ein perfekt geplantes System wie vollautomatisierte Klimahäuser versagen kann? Informatikprofessor Johann Gamper analysierte...
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Hermann Rochholz Di., 21.08.2018 - 16:11

Jetzt muss ich überlegen, wie ich das formuliere.
Simulationen von irgendwelchen strömungsmechanischen Dingen (nebenbei: ich bin promovierter Strömungsmechaniker) oder irgendwelchen anderen Sachen, die mit der Thermodynamik oder auch Mechanik zu tun haben, unterliegen letztendlich physikalische Modelle, die man über die Mathematik abbildet. Und hier gibt es mehrere Optionen, Weswegen modelle beziehungsweise Rechnungen versagen können:
1) das Modell ist falsch
2) das Modell ist unvollständig
3) irgendjemand hat bei den mathematischen Rundungen Mist gemacht
4) die Randbedingungen der Berechnungen falsch

5) es wurden keine Sensitivitätsuntersuchungen gemacht. das hört sich kompliziert an oder? Aber im Prinzip ist es ganz einfach: Ingenieure wie auch Informatiker geben irgendwelche Eingangsdaten ein, drücken auf einen Knopf, haben dann ihre Ergebnisse und das ist es dann, was rauskommt.

Was bei dieser Betrachtung fehlt: es gibt resiliente und vulnerable Systeme. die meisten Systeme sind resilienter Natur: bei Änderung von irgendwelchen Eingabeparametern passiert nicht viel. Es gibt aber auch, wie oben dargestellt, vulnerable Systeme. Ändert man einen Eingangsparameter ganz leicht steht das ganze System Kopf.

Dazu eine erheiternde Geschichte: vor etwa 30 Jahren gab es als Alternative zum Space Shuttle das Sänger-Projekt.
Im Gegensatz zum Space Shuttle startete das Gerät waagerecht wie ein Flugzeug und obendrauf befand sich dann der eigentliche Raumtransporter. Das Ding sollte also auf 30 km Höhe fliegen mit halbwegs normalem Antrieb (scramjet) und dann gab es bei mach =8 die Trennung der Oberstufe.
Und Triebwerke sind sehr empfindlich, wenn sie bei hohen Geschwindigkeiten betrieben werden. intern werden 98 % der Leistung umgesetzt, extern 2 %. Und die Ingenieure rechneten über Jahre mit einem konstanten Anstellwinkel des unteren Flugzeuges, das auch nötig war, um die Luft komplett durch die Triebwerke zu bringen. (Vorkompression)
Nach Jahren (!) Kam dann ein Ingenieur auf die Idee, nachzufragen, wie genau es überhaupt möglich ist, diesen fixen Anstellewinkel einzuhalten. Zudem jedes Flugzeug in einer Phygoide fliegt, wobei es sich um eine Sinusschwingung handelt, bei der sich auch der Anstellewinkel sinusförmig als Funktion der Zeit ändert.

Tja- diese Nachfrage hat dann die jahrelangen "Rechenorgien", wie es Professor Hirschel nannte (Sein Buch steht an der TFO in der Bibliothek) zum Erliegen gebracht; das Projekt ist gestorben.

Di., 21.08.2018 - 16:11 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 22.08.2018 - 20:39

Ich finde die Erkenntnis genial, dass das Abdecken von Klimaanlagen-Ventilatoren das ganze System kippen kann. Auf so eine weltbewegende Erkenntnis wäre man wohl ohne die sicher nicht ganz preiswerten Forschungen dieser Professoren und ihrer ebenfalls nicht billigen internationalen Tagungen niemals gekommen. Nicht auszudenken, wenn überall auf Klimaanlagen-Ventilatoren Jacken herumliegen und alle Systeme kippen würden. Ich komme mir mit meinem bescheidenen Kachelofen, der auch trotz daraufliegender Jacke nicht kippt, furchtbar unbedeutend vor.

Mi., 22.08.2018 - 20:39 Permalink
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Christoph Moar Mi., 22.08.2018 - 21:03

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Die Krux ist die, dass bei einem komplexen System mit zahlreichen Vollautomatisierungen und hochdimensionierten Komponenten das Abdecken weniger einzelner Ventilatoren zu einer Reaktion führen kann, die die Software der Steuerung nicht bedacht oder falsch interpretiert hat. Das führt zum Kippen eines ansonsten völlig durchdachten Systems. Ein ganz kleiner David kann dem Goliath eins auswischen, also. Und der David ist so klein und unauffällig in der gesamten Population der Erde, dass sie ihn so ohne weiteres nicht sehen, geschweige denn verstehen.
Vielleicht verstehen sie jetzt besser, was diese Professoren so tun.

Zu den Kosten von Forschung und Wissenschaft, nun ja - wer nicht investiert fällt schnell aus dem Wettbewerb. Aber keine Sorge: die lokalen Unternehmen sind nicht abgeneigt, solche internationalen Tagungen zu unterstützen. Auch wenn sie gar keine Klimaanlagen bauen.

Mi., 22.08.2018 - 21:03 Permalink