Schule
Der Historiker Andrea Di Michele erklärt im Interview, warum die neuen Bildungsrichtlinien des Ministeriums einen Graben zwischen der italienischen, deutschen und ladinischen Schule in Südtirol aufreißen könnten.

Anfang März hat das italienische Bildungsministerium unter dem zuständigen Minister Giuseppe Valditara neue Richtlinien für den Kindergarten und die Grundschule veröffentlicht. Die Richtlinien, die als Entwurf vorliegen und noch nicht vom Parlament verabschiedet sind, haben wegen ihrer nationalistisch geprägten Inhalte und traditionellen Lehrmethoden für Empörung gesorgt. Zuletzt auch bei Historiker:innen des Istituto Nazionale “Ferruccio Parri”, dessen wissenschaftlicher Leiter der Südtiroler Andrea Di Michele ist. Ob und wie die Richtlinien in der Provinz Bozen umgesetzt werden, ist noch unklar. Sollten die italienischsprachigen Schulen die Richtlinien aber übernehmen, die deutsch- und ladinischsprachigen Schulen hingegen an ihren bisherigen Richtlinien festhalten wollen, könnte sich eine Kluft zwischen den Schulgruppen auftun, sagt Di Michele.


SALTO: Herr Di Michele, das Nationale Institut Ferruccio Parri übt heftige Kritik an den neuen Richtlinien für den Geschichtsunterricht, die das zuständige Ministerium vorgeschlagen hat. Was ist an diesen Richtlinien so kritisch?

Andrea Di Michele: Die Richtlinien sind wirklich sehr bedenklich, sowohl was die Inhalte als auch was die Lehrmethoden betrifft, die vorgeschlagen werden. Was die Inhalte betrifft, so wird im Wesentlichen ein Lehrplan vorgeschlagen, der sich auf die nationale Geschichte konzentriert und nationalistische Ansätze hat. Der Schwerpunkt liegt auf der westlichen Kultur und insbesondere auf der Geschichte Italiens. Nicht nur die europäische Geschichte, sondern auch die internationale Geschichte, die Weltgeschichte, bleibt dagegen völlig im Hintergrund.

In dem Dokument finden sich Formulierungen wie „Solo l’Occidente conosce la Storia [Nur der Westen kennt die Geschichte]“, oder „altre culture e civiltà hanno conosciuto qualcosa che alla storia vagamente assomiglia [andere Kulturen und Zivilisationen haben etwas gekannt, das der Geschichte vage ähnelt]“, und das deshalb in weiten Teilen „getrost ignoriert werden kann“.

Ja, aus dem Dokument geht hervor, dass die Geschichte, die Geschichtsschreibung oder die historische Rekonstruktion ein Monopol der westlichen Kultur ist, als ob es in anderen Ländern keine solche Tradition gäbe. Darüber hinaus wird versucht, eine Identifikation mit der italienischen Nation zu forcieren, wobei vor allem die jüngsten Schulkinder angesprochen werden. Bereits in der zweiten Grundschulklasse, also bei sehr, sehr kleinen Kindern, sollen Themen wie die Gründung Italiens, Mameli und die Nationalhymne oder die Erzählungen des Risorgimento behandelt werden.

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Profil für Benutzer Alberto Stenico
Alberto Stenico Fr., 21.03.2025 - 09:15

La situazione non è nuova: è sempre stata questa ed è una delle cause delle incomprensioni tra i diversi gruppi linguistici. Ognuno racconta la sua storia, diversa da quella degli "altri". Conoscerle entrambe è la base per una convivenza costruttiva.

Fr., 21.03.2025 - 09:15 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Piger
Martin Piger Fr., 21.03.2025 - 21:30

Gli italiani del Sudtirolo comunque ora possono mandare un segnale chiaro. O proseguono sulla strada della rielaborazione del passato
( percorso del resto appena iniziato) per una una civiltà matura con una storia consapevole oppure tornano a correre dietro ai miti del risorgimento enfatizzando storielle edulcorate tipo "libro cuore", dando in questo modo un calcio poderoso alla tanto professata convivenza.

Fr., 21.03.2025 - 21:30 Permalink
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Simonetta Lucchi Sa., 22.03.2025 - 20:42

I docenti possono liberamente scegliere quali libri utilizzare e con quale impostazione. Nelle direttive provinciali per le scuole italiane ladine e tedesche è raccomandata la storia locale. I libri di testo di storia italiani sono centinaia continuamente aggiornati e si può trovare di tutto. Si può tranquillamente chiedere alle case editrici di aggiungere dei contenuti o argomenti. Io auspico sempre che finalmente le aree pedagogiche tedesche italiane e ladine creino un libro di testo univoco per tutti magari trilingue. Cosa ci vuole?

Sa., 22.03.2025 - 20:42 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 23.03.2025 - 14:29

Antwort auf von Simonetta Lucchi

Die Idee, eine konkordierte Geschichtsschreibung zu schaffen, klingt recht gut, scheitert aber daran, dass die italienische Geschichtsschreibung es nicht schafft, über ihren eigenen Schatten zu springen. Wenn zum Beispiel der Gemeinderat von Brixen es nicht schafft, dem Kriegsverbrecher Gennaro Sora die Ehrenbürgerschaft zu entziehen, weil man laut SVP den italienischen Koalitionspartnern das nicht antun kann, dass zeigt das deutlich, wie weit man von einer gemeinsamen Geschichtsauffassung und damit Geschichtsschreibung entfernt ist. Es geht nicht um historische Wahrheiten, sondern nur um nationale Empfindlichkeiten, und die Italiener sind da halt sehr empfindlich.

So., 23.03.2025 - 14:29 Permalink
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Profil für Benutzer Claudia Scochi
Claudia Scochi Mi., 02.04.2025 - 06:11

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Diese "Empfindlichkeit" würde ich nicht nur den Italienischsprachigen zuschreiben, sondern ebenso den Deutschsprachigen. Wie sieht es denn aus mit dem Kapitel "Nationalsozialismus in Südtirol", dessen Folgen bis heute, vielleicht sogar immer stärker, zu spüren sind und von vielen Seiten totgeschwiegen wird. Ich denke, dass sich keine Seite als die ehrliche und transparente darstellen kann.

Mi., 02.04.2025 - 06:11 Permalink