Interview
Verfassungsrechtler Francesco Palermo spricht mit SALTO über Opportunismus als Teil der Seele der SVP und die wachsende Distanz zwischen Anhängern und Parteileitung.

SALTO: Herr Palermo, wo man hinhört, hört man: wenn der Palermo angetreten wäre, hätte Mitte-Links in Bozen gewonnen. Was sagen Sie dazu?

Francesco Palermo: Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich gewonnen hätte. Das sind ja nur Spekulationen. Fakt ist, ich habe nicht kandidiert.

Warum eigentlich nicht?

Ich war natürlich sehr geschmeichelt von der Sache. Aber mir haben drei wesentliche Elemente gefehlt. Erstens, die politischen Bedingungen, weil das Programm bereits vorgegeben war. Zweitens, die persönliche Begeisterung. Ich habe mich nicht auf einen Wahlkampf einlassen wollen. Und drittens, der berufliche Kontext. Ich war nicht in der Lage, meinen Beruf aufzugeben, um mich in den Wahlkampf zu stürzen. 

Sie sagen, das Programm war vorgegeben. Wie muss man das verstehen?

Die Unterstützung der SVP ist die Voraussetzung für den Wahlsieg und für die Arbeit, weil die meisten Entscheidungen vom Land abhängen. Das Ziel einer Koalition muss es daher sein, die SVP irgendwie mit an Bord zu haben. Daraus leitet die SVP verständlicherweise auch bestimmte Bedingungen ab. Ich sage das sehr nüchtern und ohne jede Polemik: Ich war angesichts dieser Voraussetzungen einfach nicht die richtige Person aus den eingangs erwähnten drei Gründen.

 

„In Bozen wählen die reicheren Stadtviertel links und die ärmeren wählen rechts.“

 

Die Stichwahlen in Bozen haben gezeigt, dass die deutschsprachige Bevölkerung Juri Andriollo gewählt hat, die italienischsprachige dagegen Claudio Corrarati. Hätte eine Wahlempfehlung der SVP dazu beigetragen, diese Spaltung – wenn nicht zu verhindern – dann doch zu mildern?

Vielleicht hätte eine klare Wahlempfehlung seitens der SVP etwas bewegt. Vielleicht wären dann die 700 Stimmen, die Corrarati nach vorne gebracht haben, anders vergeben worden. Insgesamt ist aber klar, dass die SVP-Wähler in der Stadt sich nicht so sehr von den Entscheidungen ihrer Partei beeinflussen lassen. Die haben überwiegend links gewählt. Mehrheitlich haben die SVP-Anhänger für Andriollo gestimmt. Die getroffenen Wahlentscheidungen hängen weniger mit Sprachgrenzen oder ethnischen Trennlinien zusammen. In Bozen wählen die reicheren Stadtviertel links und die ärmeren wählen rechts. Die Trennung besteht also nicht zwischen Italienern und Deutschen. Sie besteht zwischen Reichen und Ärmeren, um es zugespitzt zu formulieren. 

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