Lesya Skintey ist in Tscherniwzi (Czernowitz) in der Ukraine aufgewachsen und forscht seit Oktober 2023 an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck unter anderem im Bereich des Zweitspracherwerbs im Mehrsprachigkeitskontext und zur Lehrer*innenprofessionalisierung im Bereich der Sprachbildung. Die 39-Jährige spricht Ukrainisch, Deutsch, Russisch und Englisch. In ihrer Studienzeit hat sie Sprachkurse in Französisch, Italienisch und Arabisch belegt.
SALTO: Frau Skintey, Ihre Erstsprache ist Ukrainisch. Woher kommt das Interesse für die deutsche Sprache?
Lesya Skintey: Ich habe Deutsch als Fremdsprache in der Schule gelernt. Meine Schule wurde vor mehr als 100 Jahren von deutschen Arbeiter*innen für ihre Kinder gebaut, Deutsch als Fremdsprache hatte dort insofern eine lange Tradition. Mich haben Sprachen schon immer fasziniert: das Lesen, das Schreiben und das Sprachenlernen. Das Studium der deutschen Philologie ermöglichte mir viele interessante Einblicke in die Geschichte, den Aufbau, den Gebrauch und die Vermittlung der deutschen Sprache.
Sie haben während einer Vorlesung an der Universität erwähnt, dass Ihre Kinder dreisprachig aufwachsen. Wie kommunizieren Sie? Wie kann man sich das vorstellen?
Wir versuchen, unseren drei Kindern ein Aufwachsen in drei Sprachen, also Ukrainisch, Arabisch und Deutsch zu ermöglichen. Wir haben das Prinzip eine Person – eine Sprache gewählt: Ich spreche mit den Kindern Ukrainisch, mein Mann Arabisch und wenn wir zusammen sind, sprechen wir Deutsch.
Finden Sie es heutzutage wichtig, zwei-, drei- oder mehrsprachig zu sein? Welche Vorteile bringt es, wenn man mehrere Sprachen sprechen kann?
In der heutigen Zeit ist es auf jeden Fall wichtig, mehrere Sprachen zu beherrschen. In der EU stellt die Mehrsprachigkeit eine der acht Schüsselkompetenzen dar, die von dem Rat der EU für die Förderung im Rahmen des lebenslangen Lernens empfohlen werden. Das Ziel des institutionell verankerten Fremdsprachenlernens lautet ‚1+2‘, womit gemeint ist, dass neben einer Erstsprache mindestens zwei weitere Sprachen zu erwerben sind. Neben dieser schulischen Form der Mehrsprachigkeit, wachsen viele Kinder durch verschiedene Konstellationen lebensweltlichmehrsprachig auf. Wenn die Eltern oder Großeltern zum Beispiel mehrsprachig sind und Erst-, Familien- und Herkunftssprachen an die Kinder weitergeben oder wenn Kinder durch die Migration mehrsprachig werden. Somit stellt die Mehrsprachigkeit sowohl ein Bildungsziel als auch Realität dar.
Würden Sie sagen, dass Mehrsprachigkeit bereits Realität bzw. Normalität geworden ist?
Ich finde, dass die andauernde Debatte über die Vor-und Nachteile von Mehrsprachigkeit mitunter aufzeigt, dass sich Mehrsprachigkeit im pädagogischen, gesellschaftlichen und bildungspolitischen Diskurs als anzustrebende Kompetenz noch nicht etabliert hat. Denn wenn etwas als ‚normal‘ und ‚selbstverständlich‘ angesehen wird, muss es nicht immer aufs Neue durch das Aufzählen von Vorteilen legitimiert bzw. gerechtfertigt werden.
Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist der Zweitspracherwerb im Mehrsprachigkeitskontext im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Werden Kinder überfordert, wenn sie mehrere Sprachen lernen müssen?
Die Mehrsprachigkeit an sich stellt für die Kinder keine Überforderung dar. Es bedarf jedoch günstiger Erwerbsbedingungen, die sowohl einen reichhaltigen Input und vielfältige Interaktionen in allen zu erwerbenden Sprachen als auch eine gleiche Wertschätzung einschließen.
Kinder mit verschiedenen…
Kinder mit verschiedenen Muttersprachen kommen recht schnell auf eine Sprache, mit der sie sich verständigen können. Sie halten die verschiedenen Sprachen auch sauber getrennt, wenn sich ihre Bezugs-Personen daran halten