Berliner Schule
„Ich weiß, dass er seinen Schauspielern immer noch Lese- und Sehempfehlungen gibt – Empfehlungen, die auf den ersten Blick scheinbar nichts mit dem gemeinsamen Projekt zu tun haben“, berichtete Laudator Peter Körte anlässlich der Verleihung des BFFB-Ehrenpreises an den Regisseur Christian Petzold. Dass es im anschließenden Film dann auch um Literatur, einen Schriftsteller, einen Verleger und eine Literaturkennerin – und -liebhaberin – gehen würde, war an diesem Abend durchaus stimmig.
Sind Petzolds Filme zu intellektuell, vielleicht sogar langweilig – wegen der langen Einstellungen, der Kühle und Distanziertheit?
Weniger stimmig und geschmeidig verlief die Preisverleihung. Da wurde doch etwas zu ausführlich über die Preise und ihre Macher geredet. Kurz war man sich nicht sicher, ob es um den Ehrengast und sein Schaffen ging oder um zwei schwer händelbare „Kunstwerke“. Schwamm drüber – zurück zu dem für Preisträger und Fahrradfan Petzold überraschend angereisten Laudator: dieser erzählte von der Zeit, als noch niemand über die Berliner Schule sprach, von Petzolds frühen Filmen und von dessen Lehrer und gutem Freund Harun Farocki. Und über vieles mehr.
Sind Petzolds Filme zu intellektuell, vielleicht sogar langweilig – wegen der langen Einstellungen, der Kühle und Distanziertheit? „Christians Filme wirken kühl“, betonte Körte, „sie wirken stilisiert, unheimlich präzise. Sie haben, wenn man so will, eine Kälteschicht und einen Hitzekern, die einander dringend brauchen – in wechselseitiger Abhängigkeit.“
Petzold war dann auch sichtlich überrascht, als ein kurzer "Einspieler" auf der Leinwand signalisierte, dass nicht die Originalversion des angekündigten Films im Anschluss gezeigt würde, sondern die italienische Synchronfassung. Eine weitere Überraschung? Oder gar ein Gag? Bei aller Liebe zur italienischen Sprache: Roter Himmel im Original ist doch gelungener.
Ganz nebenbei ging es bei der Preisverleihung auch ums Fahrradfahren. Petzold prahlte damit, zuvor bereits 50 Kilometer mit dem E-Bike absolviert zu haben – und am nächsten Tag sollten weitere 70 folgen. „Ich kann da sehr viel mitnehmen...“, meinte er glücklich über den Ehrenpreis (bzw. die Ehrenpreise) – und über das Fahrradfahren sinnierend. „Aber nicht das E-Bike!“, konterte die Preisüberbringerin vom Verkehrsamt Bozen Sara Salute und sorgte damit für einen gelungenen Gag in einer ansonsten etwas hölzern und eingeengt wirkenden Zeremonie. Der Film im Anschluss war dann filmkünstlerischer Hochgenuss.
Norweger Trilogie
Allgemeine Freude herrscht auf der BFFB-Insel in der Streitergasse darüber, die Trilogie der Beziehungen des Norwegers Dag Johan Haugerud präsentieren zu können. Die drei Filme über Liebe, Sehnsüchte und Identität – darunter auch Dreams, der mit dem Goldenen Bären der Berlinale 2025 ausgezeichnet wurde – erzählen von Zuneigung, Sexualität, Träumen und Wünschen.
Haugeruds Filme haben tatsächlich etwas Besonderes: Sie schaffen es mitzureißen und das Publikum so tief in die Geschichte eintauchen zu lassen, dass die Grenze zwischen den Figuren auf der Leinwand und zu einem selbst zu verschwimmen scheint. Warum das so ist? „Weil Haugerud ein Meister der Empathie ist“, behaupten Kinokenner. „Seine Figuren sind einzigartig und zugleich wunderbar alltäglich.“
Dag Johan Haugerud wird bei den Vorführungen anwesend sein
Nach Love (der bereits am 6. April gezeigt wurde) folgt Dreams am heutigen Freitag um 21 Uhr, und Sex wird am morgigen Samstag um 18 Uhr gezeigt. Dag Johan Haugerud wird bei den Vorführungen anwesend sein. Außerdem spricht er heute (um 17 Uhr) beim Talk im Hotel Mondschein über seine Filmkunst.
Große und kleine Preise
Zur finalen Preisverleihung kommt es wie immer am vorletzten Festivaltag. Vergeben werden der Preis des Landes Südtirol für den besten Film (7000 Euro), der Preis der Stiftung Südtiroler Spakasse für die beste künstlerische Leistung (5.000 Euro), der Spezialpreis der Jury (3.000 Euro), der neue Verleihförderpreis der Autonomen Region Trentino-Südtirol (10.000 Euro), der Spezialpreis Dolomiten UNESCO Welterbe (1000 Euro), sowie zwei IDM-Preise für lange (2000 Euro) und kurze Filme (1000 Euro). Außerdem der Euregio YOUNG Jury-Preis (1000 Euro).
Im Anschluss feiert die Bestseller-Verfilmung „Marianengraben“ Südtirol-Premiere und Kinostart. Es ist das Spielfilmdebüt der Luxemburger Regisseurin Eileen Byrne.
Der Film mit durchaus prominentem Cast (z.B. Luna Wedler und Edgar Selge) wurde zum großen Teil in Südtirol gedreht. Nach der Premiere startet die Koproduktion zwischen Luxemburg, Südtirol und Österreich am 24. April in den Südtiroler Kinos sowie im restlichen Italien über den Verleiher Trent Film. Der Film wird sowohl auf Deutsch mit italienischen Untertiteln als auch in der italienischen Synchronfassung laufen. Für Bücherwürmer ist im Alphabeta Verlag die italienische Übersetzung des Bestsellers von Jasmin Schreiber mit dem Titel Fossa delle Marianne (Übersetzung von Giovanna Ianeselli) erschienen.
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